Ein Symbol in der südwestdeutschen Fasnachtslandschaft
Über den Ursprung des Brauchs, einen Narrenbaum zu stellen (oder „zu setzen“), gibt es unterschiedliche Theorien.
Nach Dr. Mezger ist er möglicherweise auf das „Blockziehen“ zurückzuführen, einem Brauch, der bereits für das 15. Jh. urkundlich belegt ist. Dabei handelte es sich um einen Spottumzug, bei dem die unverheirateten Mädchen und die alten Jungfern einen Baumstamm durch die Straßen ziehen mussten, aus dem sich vielleicht ein Mann für sie schnitzen ließe. Eine andere Theorie sieht die Vorläufer der heutigen Narrenbäume in einem Brauch der Metzger, der ebenfalls auf das 15. Jh. zurückgeht. Diese hatten bei ihrem Fasnachtstanz anlässlich der bevorstehenden Fastenzeit kleine geschmückte Bäumchen mit sich getragen.
Auch bezüglich der Symbolik gibt es verschiedene Auslegungen; so z.B. der Narrenbaum als Abwand-lung des biblischen Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse im Paradies, oder der Narrenbaum als Symbol des Unsinnigen / Närrischen (wer sonst setzt einen Baum ohne Wurzeln, als die Narren !!).
Sei `s drum – heute wird der Narrenbaum allgemein als weithin sichtbares Symbol für die Herrschaft der Narren in ihrem Ort vom Schmutzige Dunnschdig bis zum Fasnet-Zieschdig verstanden.
In Stockach werden Narrenbäume seit 1799 gestellt. Wahrscheinlich hat sich dieser Brauch vom Hegau aus in den Schwarzwald und an den Oberrhein verbreitet. Bei uns in Lenzkirch sind Narrenbäume nach-weislich vor dem 2.Weltkrieg gestellt worden; wie lange diese Tradition bei uns tatsächlich zurückgeht, ist jedoch nicht bekannt. Fast überall wird als Narrenbaum eine schön gewachsene, entastete und entrin-dete Tanne oder Fichte verwendet, die von einem grünen, geschmückten Wipfel (dem „Dolden“) gekrönt ist.
Die Größe der Narrenbäume ist von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Werden vielerorts „Bäumchen“ von 12-15 m gesetzt, so werden vor allem im Hegau und in einigen wenigen Orten unserer Region (z.B. in Lenzkirch) mächtige Bäume von 30 m und mehr aufgestellt.
Dem eigentlichen Baumstellen geht stets ein Umzug voraus, bei dem der Baum eingeholt – und zu seinem Standort gebracht wird. Dort, wo der Narrenbaum eine vieljährige Tradition hat, übernimmt die Aufgabe des Stellens / Setzens meistens die örtliche Zimmermannsgilde (oder „Zimmermannszunft“), die sich eigens zu diesem Zweck in ihrer traditionellen Kluft (Bekleidung) zusammenfindet. Ausschließlich unter Einsatz der Muskelkraft und mit Hilfe von Scheren (zusammengebundene Holzstangen) unterschiedlicher Länge werden die schweren Bäume Stück für Stück in die Senkrechte gehoben und schließlich fach-männisch verankert.
Während an vielen Orten Utensilien der örtlichen Narrenzünfte (Masken, Hexenbesen, Figuren u.ä.) zum Schmuck am Stamm des Narrenbaumes befestigt werden, so hängen in Lenzkirch die Narrenräte Symbole ihrer bürgerlichen Berufe sprichwörtlich an den Nagel. Sie bekunden damit gleichzeitig und unter Eid, dass sie sich während der Fasnet ausschließlich und mit ganzer Kraft in den Dienst der Zunft und der örtlichen Fasnet stellen.
Steht der Narrenbaum in Stockach bis zum 4. Fastensonntag (Lätare), so werden fast überall im Land die Narrenbäume am Nachmittag des Fasnet-Zieschdig gefällt oder umgelegt und die Herrschaft der Narren ist zu Ende.
Ein Reis vom Narrenbaum
trägt jeder an sich bei,
der eine deckt es zu,
der andere trägt es frei.
(Friedrich Bodenstedt)
Zeitraffer vom Baumstellen 2012 in Lenzkirch